Schwäbisch-alemannische Fasnacht

Mit dem Begriff Fastnacht (Fasnacht) war ursprünglich der Abend vor der Fastenzeit gemeint. Später wurden die letzten drei Tage, und seit dem 19. Jahrhundert die Zeit vom Dreikönigstag bis zum Aschermittwoch verstanden. Die protestantischen Länder kennen die eigentliche Fasnachtfeier heute kaum mehr, wohl aber die katholischen Gegenden. Das Rheinland begeht den Karneval, Mainz und Umgebung die Fastnacht, die Franken die Fosnat, der bayrische-österreichische Raum den Fasching und das schwäbisch-alemannische Gebiet die Fasnet. Den ältesten schriftlichen Nachweis für die Form Fasnacht finden wir in Wolfram von Eschenbachs Parzival aus dem Jahre 1206. Im 13. und 14. Jahrhundert ist in diesem Zusammenhang von Gastmählern und Trinkgelagen, aber auch Tanzfeiern, Stech- und Turnierspielen die Rede. Das Hauptmotiv der verschiedenen Fasnachtsbräuche dürften die bevorstehenden, zur Enthaltsamkeit mahnenden Fasten- und Bußwochen sein. Die Zurückführung der Fasnacht auf die Fruchtbarkeitskulte in der germanischen Zeit oder auf Einflüsse der römischen Saturnalien gilt heute als zweifelhaft.

Ostracher Fasnet

Narren in ihren traditionellen Kostümen

Öffentliches Feiern mit Tanz, Spiel, Umzügen und vielerlei Formen der Verkleidung charakterisieren die Fasnacht als die Zeit, in welcher die gewohnte Ordnung außer Kraft gesetzt ist und im Gewand der Narren verspottet wird. Symbolische Gesten wie die Übergabe des Rathausschüssels oder die Etablierung einer "Gegenregierung" in Form eines Elferrats sind weitere Elemente der Fasnacht. Dem Einzelnen wird gestattet gegen die traditionellen Verhaltensformen zu verstoßen. Geschichtlich wurde diese Ventilfunktion schon bedeutsam, wie im Widerstand gegen kirchliche Institutionen im 15. Jahrhundert oder gegen die französischen Besatzung Deutschlands im 19. Jahrhundert. Noch heute enthalten die Rosenmontagsumzüge zeitkritische Elemente.

Die schwäbisch-alemannische Fasnet hat nur wenig mit dem rheinischem Karneval und bayrischem Fasching zu tun. Sie fußt auf uralte, mancherorts schon seit dem Mittelalter nachgewiesene Tradition. In jedem Ort wird auf eine andere Art und Weise gefeiert. Es gibt es kein Funkenmariechen oder Faschingsprinzenpaar, aber statt dessen altüberlieferte Narrengestalten mit kunstvoll gearbeiteten Holzmasken und Kostümen. 

Die Gemeinde Ostrach hat mehrere Zunftvereine. Neben der unten vorgestellten Bauzemeck-Narrenzunft gibt es noch die Narrenzunft Burgweiler, die Schnellergilde Burgweiler, die Burrenweiblezunft Einhart, den Narrenverein Jettkofen mit Schalmeienkapelle und den Narrenverein Hilb-Hex Kalkreute. Ferner noch die Fanfarenzüge Ostrach und Einhart.

Fasnetsumzug in Ostrach

Geschichte und Brauchtum

Bereits 1855 wurde in Ostrach die Narrenzunft "Narrhalla" gegründet. Es fanden große Fasnetsumzüge und Theateraufführungen statt. Im Einigungskrieg 1870 rief "das Feld der Ehre". Die Mädchen und die jungen Burschen, die noch nicht des Königs Rock tragen durften, beschlossen, dieses Jahr die Fasnet ausfallen zu lassen. In den Jahren danach waren die Fasnetsveranstaltungen bescheiden und fielen vielfach aus.

Im Jahre 1900 wurde die Narrhalla neu gegründet und bis 1906 fanden riesige Veranstaltungen an der Fasnet statt. 1928 wurde zur Freude der "Narrhalla" die Turnhalle gebaut, und die Fasnet erlebte neuen Aufschwung mit dem Narrenvater Hermann Spindler. 1929 veranstalteten die Narren in der Fasnet in Ostrach mit 200 Mitwirkenden eine "Internationale Olympiade", leider mit sehr wenigen Besuchern, da bei so vielen Mitspielern keine Zuschauer mehr übrig blieben. 

Nach dem zweiten Weltkrieg entschlossen sich die alten Mitglieder der "Narrhalla", der Jugend und der Bürgerschaft eine jährliche Fasnet zu bieten. Die Originalmasken von Bauzemeck und Riedhexe wurden wiedererweckt. Zunftmeister der nun umbenannten Bauzemeck-Zunft wurde Max Schmitt. Das heutige Gesicht der Bauzemeck-Zunft wurde wesentlich durch die 25-jährige Zunftmeistertätigkeit von Hubert Missel geprägt. 

Am Dreikönigstag 1956 schlossen sich im Gasthaus Dreikönig in Bad Saulgau die Narrenzünfte Altshausen, Herbertingen und Ostrach zur "OHA-Narrenbruderschaft" zusammen. Pate der neuen Narrenbruderschaft waren die Narrennachbarn der Doraus-Zunft Bad Saulgau. 1967 wurde die Bräutel-Zunft Scheer in die OHA aufgenommen. Die OHA-Treffen sind im schwäbisch-alemannischen Raum ein besonders närrischer Leckerbissen.

Zunftgebäude in Ostrach (ehemalige Molkerei)

Fasnet in Ostrach

Zur Einstimmung auf die kommende Fasnet treffen sich die Mitglieder der Bauzemeck Zunft am 11.11. zu einem gemütlichen Beisammensein mit Gänsebraten. Gemeinsam beginnen die OHA-Narrenbrüder am Vorabend des Dreikönigstags am Ort des jeweiligen OHA-Treffens die schwäbische Fasnet mit Häsabstauben und der "Einverleibung des Dreikönigswassers". Die eigentliche Ortsfasnet beginnt in Ostrach am Fasnetsmittwoch mit der Narrenbefreiung, bei der vor allem die Hexen ihr närrisches Spiel treiben. Am "Schmotzigen Donnschtig" werden am Vormittag die Schulen und Kindergärten vom Unterricht befreit und erhalten Wurst und Wecken; auch die gestressten Rathausbediensteten warten schon auf ihre Befreiung. Ein schöner Brauch der Ostracher Narren ist es, die Bewohner des MS-Heimes und des Elisabethenheimes mit Musik und Spiel zu erfreuen. Als Dank werden sie mit Kaffee und Fasnetsküchle belohnt.

Am Nachmittag sammeln sich die Narrengruppen, die Zimmermannsgilde und die Musikkapelle am Bahnhof und ziehen den geschmückten Narrenbaum durch den Ort. Vor dem Rathaus wird Halt gemacht. Mit närrischen Versen und Spielen wird der Bürgermeister abgesetzt und dann der Narrenbaum aufgestellt.

Am Fasnetssonntig findet der Zunft- und Bürgerball statt. Der Rosenmontag ist der Tag der Hausfasnet. Hier sind die Vereine, Einzelpersonen und vor allem die Kinder zum Dorfumzug eingeladen. Danach ist Kinderball mit Spielen in der Buchbühlhalle. Die verschiedenen Narrengruppen ziehen von Lokal zu Lokal. Am Abend geht es noch einmal hoch her beim Hemdglonker- und Weiberball. Die Ostracher Fasnet endet dann am Dienstag mit dem Hexenverbrennen. Nach dem Gräberbesuch der verstorbenen Narrenfreunde am Aschermittwoch beschließen die Narren die närrische Zeit mit einem geselligen Mittagessen (Spezialität: Schnecken).

Die Brauchtumsveranstaltungen beginnen mit dem Abbrennen des Funkens am Funkensonntag, der traditionell durch die Hexengruppe erstellt und abgebrannt wird. Die Zimmermannsgilde stellt am Vorabend des ersten Mai auf dem Kirchplatz den Maibaum. Auch die Organisation des Martinsumzugs mit Austeilen des Martinweckens unterliegt der Bauzemeck-Zunft.

Gute Laune bei der Fasnet in Ostrach

Der Bauzemeck

ist die Narrenfigur, die der Narrenzunft Ostrach sowohl den Namen als auch den Narrenruf beschert. Das Häs, aus grünem und braunem Bast gefertigt, erinnert an das Riedschilf, der Wasenspaten an das Torfstechen. Der Bauzemeck verkörpert das Dämonische in der Ostracher Fasnet. Er stellt einen Riedgeist dar, der mit seinem Gesicht bei jung und alt Angst und Schrecken verbreiten kann.

"Bauzemeck"

Die Riedhexen

die höllischen Hofdamen, personifizieren ebenfalls das Böse. Gewandet sind sie mit einer als Hexenhäs stilisierten Bürgerinnentracht des Mittelalters, die aus grüner Bluse, braunem Rock, roter Weste und gelber Schürze zusammengesetzt ist. Das typische Hexengesicht wird mit einer Maskenhaube abgeschlossen, die von einem Fuchsschwanz verziert wird. Selbstverständlich ist jede Hexe mit einem möglichst originellen Besen ausgestattet.

"Riedhexen"

Das Riedblätzle

gehört zu der weitverbreiteten Familie der Flecken-Narren. Mit 1030 Blätzle auf dem Häs in den Zunftfarben gelb, braun, und grün, mit einem freundlichen, kecken Gesicht und mit einem mehrtönigen Geschell behangen, ist diese Maske ein lustiger Vertreter bei den Fasnetsumzügen.

"Riedblätzle"

Die Seerose

ist ein Weißnarrenhäs, mit Hose, Rock, Haube, Dreispitz und einer lieblichen Glattlarve. Als Narrenattribut trägt sie eine Narrenwurst. Der Riedlandschaftscharakter dieser Maske wird durch die auf das Häs aufgenähten Seerosen in grün und gelb unterstrichen.

"Seerosen"

Das Närrisches Viertel

Das närrische Viertel befindet sich an der Ostrach unterhalb der Kirche. Im Jahre 1972 kaufte die Bauzemeck-Zunft das alte Molkereigebäude. Mit großem Einsatz bauten die Mitglieder das Gebäude zu einem Schmuckstück um.

Der Narrenbrunnen

Ein Kleinod der närrisch-oberschwäbischen Fasnetslandschaft ist der 1989 eingeweihte Narrenbrunnen, der die Ostracher Narrenfiguren in Bronze darstellt und von Kurt Grabert aus Göppingen geschaffen wurde. Die kunstvoll gestaltete Brunnenanlage ist eine Bereicherung des Ortsbildes und der besondere Stolz der Bauzemeck-Zunft.

Der Ostracher Narrenruf lautet: "Bauze - meck"

Literatur:
1.) Arthur Straub: "Wir unter uns" Masken, Häs und Fasnetsbräuche der Vereinigung Freier Oberschwäbischer Narrenzünfte e.V.

Der Narrenbrunnen in Ostrach